Anjamo macht Sport

Sport und ich waren noch nie die besten Freunde. Was willste auch machen, wenn du als Kind der unsportlichsten Menschen des Planeten aufwächst.

Bei uns zuhause musste sogar die Nachbarin mit dem Hund gehen. Das sagt doch alles.

Dementsprechend traumatisch sind meine Erinnerungen an den Sportunterricht. Ich durfte oft nach Vorne kommen, um vorzumachen, wie man eine Übung NICHT macht. Bei einer Lehrerin, die schon die Mutter meiner besten Freundin gequält hatte, und die aussah wie die weibliche, 70-jährige Version von Dirty Harry. Ja, das motiviert ungemein.

Es gab nur zwei Dinge, in denen ich richtig gut war:

Weitwurf (Ja, Weitwurf. Meine Lehrerin wollte es auch nicht glauben und stellte sich demonstrativ 10m vor mich hin und wollte auch nicht aus dem Weg, als ich mit dem Schleuderball ausholte und direkt ihren Solarplexus traf. Nicht, dass ich es nicht vorher gesagt hätte.)

Und Völkerball. Bei Völkerball hatte ich die unschlagbare Fähigkeit, mich trotz völliger Blindheit (wer macht bitte mit 14 Sport mit Brille am Gummiband? Niemand. Eben.) unter jedem Ball herumzuwinden und gleichzeitig treffgenau alle Gegner abzuschießen.

Beim Abiball feierte ich vor allem das Ende des Sportunterrichts.

Aber es ist ja nicht so, dass ich dem ganzen Thema gegenüber nicht aufgeschlossen wäre. Und so versuchte ich mich an Wasserski (…und schluckte nach 1km bäuchlings auf dem Wasser mit 50 km/h mehr Wasser, als ich jemals in meinem Leben zu mir genommen hatte), Schnorcheln (klappte sehr gut im knietiefen Wasser, am Riff hatte ich allerdings die Rechnung ohne meine Höhenangst gemacht), Reiten (nein, nicht schön, wenn um dich rum 7-jährige sind, die ihr Pferd besser im Griff haben und du außerdem danach 5 Tage nicht mehr laufen kannst).

Doch bevor sich mein Körper endgültig in einen Haufen gallertartige Masse transformiert, muss gegengesteuert werden.

Und so vereinbare ich einen Termin in meinem Fitness-Center, um meinen Trainingsplan anpassen zu lassen.

Pünktlich und top-gestylt (das Auge trainiert schließlich mit) stehe ich an der Rezeption. Mein Trainer ist noch nicht da. Wo er ist, wüsste man nicht, aber ich soll mich doch schonmal aufwärmen gehen.

Unter all den verfügbaren Foltergeräten wähle ich mir das Passendste für diese Aufgabe aus: Eine Art Liegerad mit Fernseher davor. Nach kurzem Klicken habe ich auch schon den perfekten Kanal gefunden: Eine Sendung über’s Kochen. Während gerade eine Art Schokoladensoufflee mit Kakaonibbs zubereitet wird und ich in angenehmer Geschwindigkeit in die Pedale trete, steht plötzlich mein Trainer vor mir. Eine junger Hansi Hinterseer-Klon mit hautenger Karottenjeans blickt verächtlich auf mich und meinen Bildschirm herab. OK. Jetzt ist also Schluss mit lustig. Ich frage mich, wie man zum Training Jeans tragen kann und ob er seine Eisenwaden morgens mit einem Schuhlöffel in die sehr enge Hose bugsierte. Wir gehen zackig an einem Laufband-Forrest-Gump mit einem „Marathon 1997“-T-Shirt vorbei in Richtung Büro. Ich darf Platz nehmen.

„Und, was sind deine Ziele?“

„Ja, also, da ich recht lang nichts mehr gemacht habe, würde ich gern etwas fitter werden und straffer.“

Ich wedle kurz mit meinem Winkfleisch zur Verdeutlichung.

„Aha. Und wie oft willst du trainieren?“

„Ja, also schon 1x die Woche!“ (Ganz oder gar nicht, das ist meine Devise.)

Er schaut mich fassungslos an und beginnt mir einen ziemlich langen Vortrag zu halten, dass ich mindestens 4x die Woche trainieren müsste und dass in meinem Alter der Muskelab- und der Fettaufbau direkt proportional zunehmen würde, was unaufhaltsam ein Dasein als Tonne bedeuten würde, so man nicht beizeiten mit allen verfügbaren Mitteln gegensteuere. Diese lauten: Nahrungsergänzungsmittel, die man natürlich zum Vorteilspreis über ihn beziehen könne, und vor allem Training, Training, Training.

5 Minuten später sitze ich also auf der Bankdrückmaschine, und drücke Gewichte im Gegenwert von Rainer Callmund von mir weg. Das muss ich jetzt noch 11x tun, danach 1 Minute  Pause machen, um dann noch 12x zu drücken. Ich frage mich, ob einem Arme auch einfach abfallen können und ob das nicht die eleganteste Lösung für alle sei.

Danach ist mir leicht blümerant und ich wechsle zu einem Beinfoltergerät, auf dem man in höchst unwürdiger Position gleich eines eingespannten Frosches auf dem Bauch liegt und gewichtbeladene Rollen nach oben pressen muss. Ich freue mich extrem auf die Heimfahrt später, frage mich aber auch, ob ich noch genug Kraft haben würde, um Kupplung und Gaspedal betätigen zu können.

8 Stationen später habe ich es dann geschafft. Ich weiß nicht mehr wie. In besonders traumatischen Situationen neigt der Geist ja zur Dissoziation. Doch Hansi ist sehr zufrieden mit mir, auch wenn ich nicht mehr sprechen kann und mir wünsche, es gäbe noch Zivildienstleistende, die mich jetzt einfach nach Hause fahren und in mein Bett legen könnten.

Aufgrund ganz blöder Umstände war ich dann längere Zeit leider nicht mehr in meinem Studio, hust, was mein Unterbewusstsein natürlich nicht unkommentiert ließ. Eines Tages fand ich dann auf Instagram mit seinen sponsored Ads ein Angebot namens BodyBoss. Und während ich also gemütlich an meinem Milchkaffee nippe, schaue ich mir das ganze mal in Ruhe an.

Auf der schön gestalteten Website schwärmen dünne und nicht so dünne Frauen vom tollen Training, mit dem man seinen Körper komplett transformieren könne. Von labbrisch zu knaggisch in nur 12 Wochen. 3x die Woche trainiert man bequem (!!) von zuhause aus das Programm, das nur 14 Minuten dauert.

Bingo! Ich bin dabei. BodyBoss ist mein Freund. Zack, hab ichs auch schon runtergeladen.

Ich fange hochmotiviert mit dem Pre-Training an. Das ist das Training, um für das eigentliche Training fit zu sein, und dauert 4 Wochen. Dieser Hinweis hätte mich stutzig werden lassen müssen.

An Tag eins stelle ich fest, dass das mit den 14 Minuten nicht ganz hin kommt. Denn zuerst soll man sich ja aufwärmen. Joggen oder Seilspringen sind dafür geeignet. Ich habe kein Seil. Also bestelle ich ein Seil (musste später allerdings feststellen: Blöde Wohnung war zu kurz für Seil). Ich entscheide mich also vertretungsweise für den Hampelmann. Also hampelmanne ich wild herum, bis ich merke, dass die Nachbarin von gegenüber irgendwie seltsamer als sonst guckt.

Ziemlich aus der Puste stelle ich fest, dass es jetzt auch noch nicht losgeht, sondern dass jetzt erst das 10-minütige Stretchingprogramm zu erfolgen hat. Nach 18 Minuten bin ich damit durch und komme zum Hauptprogramm. 7 kleine Übungen soll man je 30x wiederholen, danach 3 Minuten Pause machen, Wasser trinken und dann nochmal alles wiederholen. Nach Adam Riese hat man das dann laut BodyBoss in 14 Minuten geschafft.

Nach dem ersten Durchgang trinke ich in meiner 3-Minuten-Pause 3 Liter Wasser, denn genau das ist die Flüssigkeitsmenge, die ich bei Sumo-Squats und Co. zuvor verloren habe. Natürlich habe ich auch nicht 7 Minuten gebraucht, sondern eine gefühlte Ewigkeit. Und das schlimmste ist: ich habe noch Durchgang 2 vor mir und das gesammte Stretchingprogramm zum Cool Down. Danach muss ich noch das Wohnzimmer wischen, nicht dass der Mann auf den Schweißpfützen ausrutscht und sich das Bein bricht.

Lange Rede kurzer Sinn, ich habe 3 Wochen durchgehalten – im Pre-Training wohlgemerkt. Es gab Tage, an denen ich nicht laufen oder sitzen konnte. Und Tage, an denen ich beides nicht konnte. Ich habe schon Experten für Hüftprobleme gegoogelt und in meine Matte geheult. Ich war einfach der unsportlichste Mensch des Planeten – soviel war klar, denn diese ganzen Frauen da auf der Seite konnten das ja wohl auch und sie LÄCHELTEN auch noch dabei.

Doch dann fand ich (endlich) diesen Artikel im Netz über H.I.I.T – und nichts anderes war mein Programm: High Intense Intervall Training. Ein Training, das auch Olympioniken machen. Oder Fußballnationalspieler. Und Chuck Norris. Naja, und ich. Bei diesem Training würde, so der Experte, der Muskel in einen Schockzustand versetzt. Und dadurch quasi zum Wachstum angeregt. Dieser Schockzustand hatte sich anscheinend auf meinen gesamten Körper übertragen. Ich war gar nicht so unsportlich. Das ganze Geschwitze, Gepuste und Ich-sterbe-gleich war DAS PROGRAMM. Aha. Alles richtig gemacht. Und doch auch wieder nicht. Denn da stand auch „„HIIT macht uns muskulöser, stärker und schneller, aber es lässt uns auch schneller altern“ – das sagt zumindest Michol Dalcourt vom Institut für Bewegung in Kalifornien. Oops!

Schön, dachte ich mir. Ich habe es probiert. Den Superfettburner, der dich ratzfatz aussehen lässt wie Donatella Versace, wenn du nicht aufpasst. Ich werde einfach weiter brav 1x die Woche zum Yoga gehen. Und viel zu Fuss. Und da ich oft zu spät bin, auch viel schnell zu Fuss. Und ich werde mir wieder einen Hund holen. Ganz bald. Denn bis der dann wieder brav an der Leine läuft, hab ich das Armtraining gratis mit dazu.


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter:

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert