Eine Taufe in Sizilien

Der 1.1. um 11 Uhr ist nicht unbedingt das beste Datum für eine Taufe, um auf den Erinnerungsfotos für die Lieben daheim gut auszusehen. Denn die Nacht war laut. Sehr laut (siehe: die Mutter aller Böller.)

Um überhaupt die Augen aufzubekommen, brauchst du Kaffee. Sofort. Doch die Bar ist zu (auch die Väter der Mutter aller Böller wollen schließlich ausschlafen).

Die gute Nachricht: Dein Mietwagen lebt noch. Er ist zwar ähnlich der Gipsabdruckleichen in Pompeji etwas eingestaubt, doch außer einem halben Teller, der auf dem Dach liegt, sind keine größeren Schäden zu vermelden.

Du bist pünktlich eine Stunde vorher an der Kirche. Das Warum erschließt sich dir erschreckenderweise nach dem ersten Satz, den du mit dem Pfarrer gewechselt hast.

Wie der nette Turnschuhpfarrer dir erklärt, hast du als Taufpate die direkte Verantwortung, dass dein Schützling nicht in der Hölle endet.

Damit du das gut hinbekommst, musst du vorher beichten, sonst geht hier gar nix mehr. Englisch geht auch, denn Jesus hört zu und kann Fremdsprachen.

Aufgrund Punkt eins ist die Fremdsprache gerade Nebensache, da du selbst auf Deutsch Probleme hättest.

Irgendwie schaffst du auch das. Dein Blutdruck hat jetzt Betriebstemperatur.

Die Verwandtschaftsverhältnisse der beiden Paten und Eltern des Kindes verwirren den Pfarrer kurzfristig und es dauert etwas, bis er sich davon erholt hat, dass Mutter und Patin beide den selben Vornamen, Vater und Taufpate den selben Nachnamen haben, aber hier niemand verheiratet ist – auch nicht die Taufpaten und schon gar nicht miteinander, was wiederum Punkt 5 kurz in Gefahr bringt.

Und schon kann es losgehen.

Die 6 Worte, die du für deinen großen Auftritt wissen musst, sitzen bombensicher. 3x rinuncio, 3x credo. Kann sich ja jeder merken. Oder war es doch andersrum? Oh Gott!

Taufe selbst läuft recht reibungslos. Sämtliche Beteiligten werden gut beschäftigt. Das Kind wird im Taufbecken ordentlich nass gemacht, die Taufpatin erwägt währenddessen die Erfindung eines CI konformen Tauchsieders zwecks babygerechter Becken-Temperierung in Gold mit hübschen Engelsflügeln am Griff.

Bei der Kommunion kommt es dann doch zu einem kleinen Zwischenfall, als nicht ganz klar ist, wohin mit der Hostie, Hand oder Mund und die Patin im Eifer des Gefechts dem Pfarrer auf den Finger beißt.

Irgendwann ist die schöne Zeremonie vorbei und alle gehen Essen.

Der pranzo di capodanno – das Neujahrsmittagessen – ist hier eine große Sache: Tout Palermo schwärmt aus. Naja, vielleicht nicht ganz Palermo, schließlich ist die schöne Lira weg und der teure Euro von La Merkel da.

Da Palermo von vielen Bergen umgeben ist, fährt man zwecks der besseren Luft zu einem Aussichtsristorante. Der Weg dorthin führt über eine Serpentinenstraße, links Abgrund, rechts Felswand und vor jeder Haarnadelkurve wird gehupt. Aber nicht gebremst.

Im Ristorante sind Tische in einer Größenordnung reserviert, die man bei uns nur aus Architekturzeitungen kennt. Und da von der Doppelseite mit den Ausklappern. Aber schließlich muss ja auch die ganze Famiglia an den Tisch passen.

Sollte man nebenbei ein Casting für der Pate 4 – 6 vorhaben, ist jetzt eine prima Gelegenheit.

Dann gibt es Aperitivo. Dieser besticht durch seine aparten Neontöne und wird uns in formschönen Plastikbechern ausgeschenkt, während die 80 gläsernen Sektflöten davor offensichtlich zur Deko dienen.

Danach folgt eine Abfolge von sehr vielen Gängen, was die Frage aufwirft, ob es neben einer operativen Magenverkleinerung auch eine Magenerweiterung gibt.

Die Nonna findet das alles langweilig, da man drinnen nicht rauchen darf und der obligatorische Espresso noch in weiter Ferne ist.

Der Nonno kann sich gar nicht aufs Essen konzentrieren, da er sich in seine Enkelin blitzverliebt hat und ihr alle Kosenamen, die das Sizilianische parat hat, zuwirft.

Der Rest isst und träumt alsbald von einem großen Bett. Nach Sonnenuntergang ist das Mittagessen vorbei. Zum Glück fasst unser Olympiastadionausmaß-Auto alle inklusive unserer vollen Mägen.

Auf dem Rückweg gibt es noch leichte Sprachschwierigkeiten mit iPhones Kartenansagefrau, die alle Straßennamen so deutsch ausspricht, dass kein Mensch sie versteht. Zumindest nicht der italienische Fahrer.

Doch dann sind wir daheim. Und freuen uns über die ARD App und den Til Schweiger Tatort. Denn der nuschelt wenigstens ordentlich.


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